Die Rebsorten des Anbaugebietes Mittelrhein


70% der Rebstöcke des Mittelrheins tragen Riesling-Trauben, da diese Rebsorte auf den steilen Schieferhängen des Tals ideale Bedingungen vorfindet. Aber auch andere Rebsorten wie beispielsweise Kerner oder Spätburgunder können hier große Weine hervorbringen. Im Folgenden werden die Weiß- und Rotweinsorten des Mittelrheins in der Reihenfolge ihrer Rebfläche steckbriefartig beschrieben, außerdem werden einige empfehlenswerte Erzeuger für die jeweilige Rebsorte aufgeführt.



Riesling


Der König der Weißweine. Urkundlich wurde der Riesling in Deutschland erstmals Anfang des 15. Jahrhunderts erwähnt. Heute streiten sich die Gelehrten über die Herkunft der Rebsorte: Stammt er von wildwachsenden Reben des Rheintals ab und ist hier gewissermassen zuhause? Stammt er aus der österreichischen Wachau? Ebenfalls im Dunkeln liegt der Ursprung des Namens: stammt er von Rusling (dunkles Rebholz), von Reißen (Hinweis auf seine oft rassige Säure) oder deutet der Name auf die Neigung der Rebsorte zum Verrieseln der Blüten? Der Riesling ist wüchsig, sein Blatt mittelgroß, rund und derb, seine Beeren sind grüngelb und gepunktet. Der Riesling treibt spät im Frühjahr aus und und reift erst spät. Diese Eigenschaft bewahrt ihn oft vor Spätfrösten (Eisheilige) und erlaubt es ihm, während eines goldenen Herbstes zur vollen Reife zu gelangen. Die Riesling-Rebe ist wenig trockenheitsempfindlich und fühlt sich daher auch in den Feinerde-armen, trockenen Südhängen des Mittelrheins wohl. Der Riesling spiegelt so deutlich wie kaum eine andere Rebsorte den Charakter seines Jahrganges und seines Terroirs wider. Durch sein Bukett kann man den Boden, auf dem er gewachsen ist, oftmals klar und deutlich riechen. Der Riesling bringt am Mittelrhein ein Spektrum unterschiedlichster Charaktere hervor, die von den rassigen, Apfel- und Pfirsich-fruchtigen Schieferrieslingen Bacharachs bis zu den opulenten, nach tropischen Früchten und Gewürzen duftenden Gewächsen Boppards reichen - oder vom spritzigen, herbfruchtigen Hochgewächs bis zum von überreifen Dörrobst-Aromen geprägten Eiswein. Mit entsprechender Flaschenreife entwickelt der Riesling an Schiefer, Petrol und laktische Komponenten erinnernde Firnestöne, gleichzeitig wird die Säure abgebaut und die Farbe verdunkelt sich. Erst als gereifter Wein gelangen große Rieslinge zur vollen Harmonie und Komplexität ihrer Aromastoffe. Leider wird heute nur noch wenigen Flaschen die ausreichende Zeit zur vollen Entfaltung ihres Inhalts gegeben - eine bedauerliche Modeerscheinung, der "professionelle" Verkoster mit dem Run auf den jeweils aktuellen Jahrgang Vorschub leisten...
Die (oftmals verkannte) klassische, halbtrockene Riesling-Spätlese, die Jahrgang, Terroir und die Handschrift des Winzers widerspiegelt, ist vielleicht der wertvollste Beitrag des Mittelrheins zur internationalen Weinwelt.


Foto: DWI/Hartmann


Müller-Thurgau, Rivaner

Diese weiße Neuzüchtung entstand 1882 in Geisenheim und wurde nach ihrem Züchter, Prof. Hermann Müller aus dem schweizerischen Thurgau, benannt. In den 1980er Jahren bürgerte sich für Müller-Thurgau der moderner klingende Name "Rivaner" ein, da man die Rebsorte für eine Kreuzung aus Riesling und Silvaner hielt. Heute gelten Riesling und Madeleine Royal als Eltern des Müller-Thurgau. Die Rebsorte ist starkwüchsig und besitzt verhältnismäßig große, stark gelappte Blätter sowie ovale, gelblichgrüne Beeren. Da der Müller-Thurgau geringere Ansprüche an die Lage stellt, recht frostsicher ist und hohe Oechslewerte erreichen kann, erfuhr er nach dem 2. Weltkrieg eine rasche Verbreitung und wurde häufig in minderen, flachen Lagen gepflanzt. Die Weine aus der Müller-Thurgau-Rebe sind leicht und besitzen ein blumiges Bukett, manchmal mit einem Muskatton, der darauf hinweist, dass die Trauben nicht voll ausgereift sind. Die Weine verfügen über eine milde Säure und sollten jung und frisch getrunken werden, da sie sich nicht für eine Lagerung eignen. Obwohl der Müller-Thurgau die am zweithäufigsten angebaute Rebsorte am Mittelrhein ist, steht er oftmals nur am Rand des Sortiments. Besonders empfehlenswert ist die Cuvee "Vitus" aus Riesling und Müller-Thurgau vom Weingut Belz.


Foto: DWI/Hartmann


Kerner

Eine weitere Neuzüchtung. Diesmal handelt es sich um eine Kreuzung zwischen dem (roten) Trollinger und dem Riesling, geschaffen von August Herold. Die Trauben des Kerners reifen etwa 14 Tage vor dem Riesling und erreichen ca. 15 Grad Oechsle mehr als dieser. Der Kerner trägt reich, erfordert wegen seiner starken Nebentriebbildung jedoch eine intensive Laubarbeit. Seit den 70er Jahren wurde in Deutschland vermehrt Kerner angebaut und war eine Zeit lang sehr erfolgreich - inzwischen ist er geradezu unmodern. Der Kerner liefert kräftige, vollmundige Weine mit ausgewogener Frucht und Säure. Gute Kerner können nach Zitrus- und tropischen Früchten duften und eine feine Würze präsentieren. Als hochreife Beerenauslese kann der Kerner opulente Aromen von Honig, gekochten Früchten und Dörrobst entwickeln. Spezialisten für Kerner vom Mittelrhein sind die Leutesdorfer Weingüter Hohn und Emmerich.


Foto: DWI/Hartmann


Weißburgunder

Weiß- und Grauburgunder sind Mutationen des Blauen Spätburgunders und nur durch die Farbe der Trauben von jenen zu unterscheiden. Die Form der Burgunder-Trauben erinnert an Kiefernzapfen (französisch "Pin"). Der Weißburgunder wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Burgund entdeckt. Er erbringt körperreiche, manchmal alkoholstarke Weine mit harmonischer Säure, die jedoch meist weniger füllig als die des Grauburgunders sind. Der Weißburgunder duftet nach Apfel, Birne, exotischen Früchten, Erdnuss, Minze oder Mandel. Der beliebte Weißburgunder ist am Mittelrhein nicht sehr verbreitet, da er gute Böden mit ausreichender Wasserhaltekraft verlangt und auf Gesteinsböden zu wenig Extrakt erreicht. Empfehlenswerte Weißburgunder erzeugt zum Beispiel das Weingut Scheidgen in Hammerstein.



Foto: DWI/Hartmann


Scheurebe

Diese Neuzüchtung wurde 1916 von Georg Scheu durch Kreuzung einer Wildrebe mit Riesling geschaffen. Die Scheurebe kann sehr gute trockene und Dessertweine hervorbringen. Sie braucht relativ gute Lagen, die ruhig steinig sein dürfen. Eine sortentypische Scheurebe duftet intensiv nach schwarzer Johannisbeere und reifer Grapefruit. Dessertweine aus der Scheurebe können eine üppige, exotische Fruchtigkeit, Fülle und Würze besitzen - bei einer an den Riesling erinnernden Eleganz. Empfehlenswerte Scheureben erzeugen am Mittelrhein zum Beispiel das Stadtweingut Bad Hönningen und das Bopparder Weingut Königshof.



Foto: DWI/Hartmann


Grauburgunder

Grauburgunder wurde in Deutschland früher unter dem Namen Ruländer als gold- bis bernsteinfarbener, süßer und alkoholreicher Wein, der häufig plump, pappig und bitter schmeckte, ausgebaut. Gute Exemplare dieses barocken Gewächses besaßen einen honigartigen Geschmack. Die Rebsorte wurde vermutlich 1711 von einem Speyerer Kaufmann namens Ruland in Deutschland eingeführt. Der Grauburgunder benötigt warme Lagen mit ausreichender Wasserversorgung. Der Name Grauburgunder bezieht sich auf die ins Grau spielende Rosafärbung der Beeren. Der moderne Grauburgunder ist ein kraftvoller, körperreicher, trockener Wein mit harmonischer Säure, der nach Melone, Honig und Butter duftet. Hinzu können rauchige, würzige und mineralische Aromen kommen. Der Grauburgunder ist ein hervorragender Essensbegleiter und eignet sich für die Reifung in neuen Eichenfässern. Einen empfehlenswerten Grauburgunder erzeugt zum Beispiel das Weingut Ratzenberger.


Foto: DWI/Hartmann


Silvaner

Einst war der Silvaner die in Deutschland am meisten angebaute Rebsorte. Da die Rebe für steinige, trockene Böden  nicht gut geeignet ist, ist der Anbau des Silvaners am Mittelrhein stark zurückgegangen. Der Silvaner zeigt mittleren Wuchs und ist an seinem runden, mittelgroßen, wenig gebuchteten Blatt und seinen grünen Beeren zu erkennen. Der durchschnittliche Silvaner ist eher rustikal, mit grüner Apfelfrucht, erdigen Noten und einer deutlich herben Komponente. Große Silvaner jedoch bestechen durch reife Fruchtaromen, die an gelbe Pflaumen, duftende Äpfel und Melonen erinnern können, gepaart mit würzigen und mineralischen Noten. Einen empfehlenswerten Silvaner findet man im Weingut Karl Heidrich in Bacharach.



Foto: DWI/Hartmann


Gewürztraminer

Der Gewürztraminer ist die bekannteste und äußerst beliebte Rebsorte des Elsaß. Seine Bedeutung ist in Deutschland leider zurückgegangen, dabei kann diese Rebsorte, angebaut in den besten Lagen, sehr spannende Weine liefern. Der Gewürztraminer trägt wenig, kann aber hohe Mostgewichte erbringen. Sortentypische Gewürztraminer verfügen über eine milde Säure und duften sehr ausgeprägt nach Rosen. Dessertweine aus dieser Rebsorte riechen intensiv nach exotischen Früchten und Dörrobst und ähneln damit den elsässer Gewächsen. Einen empfehlenswerten Gewürztraminer vom Mittelrhein erzeugt das Weingut Pieper.




Foto: DWI/Dieth



Blauer Spätburgunder

Auch am "weißen" Mittelrhein können achtbare Rotweine erzeugt werden - auch wenn dies sicherlich kein einfaches Geschäft ist. Die hierfür prädestinierte Rebsorte ist ohne Zweifel der Spätburgunder oder Pinot Noir. Rotweininseln am Mittelrhein finden sich an den Hängen des Siebengebirges (Drachenfels), bei Patersberg (Teufelstein), bei Unkel (Sonnenberg) und um Obernhof/Lahn (Goetheberg). Die Rebe ist am runden, blasigen und kaum gelappten Burgunderblatt zu erkennen, das sich im Herbst gelb und rot färbt. Die Traube ist klein, erinnert an Kiefernzapfen (s.o.) und ihre dichten, tiefblauen Beeren sind klein und rundlich. Der Spätburgunder wurde vermutlich im 7. Jahrhundert von Mönchen aus Frankreich nach Deutschland eingeführt. Die Rebsorte ist das Ergebnis einer natürlichen Kreuzung zwischen Schwarzriesling und Traminer. Die anderen Vertreter der Burgunderfamilie, Weißburgunder, Grauburgunder und Auxerrois, sind durch Mutationen aus der Pinot Noir hervorgegangen. Die besten Spätburgunder sind kräftig, weich und samtig und besitzen eine intensive Frucht, die an Kirschen und Brombeeren erinnert, hinzu kommt ein an Waldboden erinnernder erdiger Duft sowie ein feinherber Gerbstoff. Auch der Spätburgunder vom Mittelrhein verträgt - entsprechende Fülle und Reife verausgesetzt - den Ausbau im neuen Eichenfaß. In den letzten Jahren ist es den Mittelrhein-Winzern gelungen, immer bessere Weine aus dieser Rebsorte herzustellen.


Foto: DWI/Hartmann



Dornfelder

Der Dornfelder ist eine Neuzüchtung, die August Herold 1956 durch Kreuzung von Helfensteiner (Frühburgunder x Trollinger) und Heroldrebe (Portugieser x Lemberger) erzeugte. Diese Rebe ist nicht nur ertragreich und verhältnismäßig leicht kultivierbar, sondern kann dunkelrote, fruchtige Weine mit Körper und Tannin ergeben. Ursprünglich als "Deckrot" zum Färben farbschwächerer Rotweine gedacht, entpuppte sich der Dornfelder in den 90er Jahren als die Antwort auf den Rotweinboom. In der Folge entstand manch säuerlicher, dünner Tropfen mit Fehltönen, der den Ruf der Rebsorte zu Unrecht ruinierte. Gute Dornfelder sind mit ihrer Beerenfruchtigkeit (Sauerkirsche, Brombeere, schwarze Johannisbeere), ihrer Geschmeidigkeit und ihrem vollen Körper durchaus mit einem achtbaren Beaujolais vergleichbar. Auch den Ausbau im neuen Eichenfaß verträgt der Dornfelder gut. Einen ansprechenden Dornfelder vom Mittelrhein findet man im Weingut Selt.


Foto: DWI/Hartmann


(Blauer) Portugieser

Der Portugieser stammt vermutlich aus Portugal - auch wenn diese naheliegende Tatsache lange Zeit bezweifelt wurde. Heute hat Deutschland die weltweit größte Portugieser-Anbaufläche. Die Rebsorte ist starkwüchsig, ihre dunkelgrünen, großen Blätter sind beidseitig kahl und glatt. Der wachsige Glanz ihrer Blätter ist ein besonderes Merkmal dieser Rebsorte. Portugieser-Trauben sind pflaumenblau, groß und dichtbeerig; ihre mittelgroßen, runden oder ovalen Beeren sind oft von einem graublauen Hauch überzogen. Die meisten Protugieser sind eher einfache Weine von sehr blassem Rot oder Rose mit wenig Säure, Tannin, Frucht, Körper und Charakter. Dabei kann diese Rebsorte, wenn sie reif ist,  durchaus farbintensive, reiche, samtige Weine mit der Tiefe eines guten Spätburgunders hervorbringen. Derzeit widmet sich kein Mittelrhein-Winzer mit besonderem Engagement den Weinen dieser Rebsorte.


Foto: DWI/Hartmann

 


 

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