Die Weinorte und Weinlagen des Mittelrheins
samt Lagenklassifikation
Klassifikation
der Einzellagen
Terroir, Lagenklassifikation
und
Spontangärung - das sind die derzeit heiß diskutierten
Themen in der Weinwelt. Im Kern sind dies Versuche, den
lagengeprägten, handwerklich gemachten, individuellen Wein als
Gegenentwurf zum industriellen Massenwein herauszuarbeiten, für
den Kunden sichtbar zu machen und dafür entsprechende
Verkaufspreise zu erzielen. Mancher sieht diese Entwicklung - teilweise
zurecht - mit Sorge. So fällt beim Begriff des "handwerklich" oder
"traditionell" bereiteten "Naturweins" die Abgrenzung schwer, welche
modernen
önologischen Verfahren denn erlaubt seien. Und Versuche zur
Lagenklassifikation
müssen kritisch hinsichtlich der Frage geprüft werden,
ob sie gar "feudale", "antidemokratische" Tendenzen enthalten, da
plötzlich
einzelne Weine allein aufgrund ihrer Herkunft eine herausgehobene
Stellung
besäßen [27].
In
diesem
Weinführer steht die Charakterisierung der
Einzellagen im Vordergrund. Diese Charakterisierung zielt darauf ab,
die topographischen, geologischen und pedologischen (Boden-)
Eigenschaften
einer Lage zu ermitteln und so einzelne natürliche
Terroir-Einheiten
herauszuarbeiten. Bei einer solchen Betrachtung wird sehr schnell
deutlich,
wie uneinheitlich viele Einzellagen des Mittelrheins sind. Insofern
will
der Mittelrhein-Weinführer einen Anstoss zu einer längst
überfälligen
Neuordnung, bzw. wissenschaftlich fundierteren Abgrenzung der
Einzellagen
des Mittelrheins geben. Leider zeigen historische und aktuelle
Entwicklungen
in die entgegengesetzte Richtung: Lagen werden eher zusammengelegt als
schärfer parzelliert (siehe das aktuelle Beispiel in Leutesdorf). Diese
Entwicklung ist m.E. nur
aufzuhalten, indem durch eine Klassifizierung der Lagen ein klarer
Anreiz
für eine Herausarbeitung der sinnvoll abgegrenzten, topographisch,
geologisch und pedologisch einheitlichen Einzellage gegeben wird.
Was
hat
der Weinfreund von einer Lagenklassifikation? Wo führt es ihn hin?
Eine Klassifikation der Lagen des Mittelrheins aufgrund ihres
natürlichen Qualitätspotentials führt den Weinfreund zu
den bestmöglichen Kombinationen von Weinberg, Winzer und Jahrgang.
Darüber hinaus
vertieft eine Klassifikation das Verständnis eines Anbaugebietes
erheblich, da nur so deutlich wird, wo einzelne Winzer besondere
Leistungen
erbringen, indem sie aus eher "kleinen" Lagen "große" Weine
hervorbringen.
Als ein letztes Argument für eine Lagenklassifikation sei
angeführt, dass gerade in einem Weinanbaugebiet, in dem sehr viele
Rebflächen brach liegen (und kontinuierlich weitere brach fallen)
die Frage nach dem Potential noch bestockter und bereits brach
gefallener Weinberge mögliche Zunkunftsperspektiven eines
Anbaugebietes aufzeigt.
Noch
ein
Wort zur Vorsicht: In unseren Breiten ist es der
Jahrgang, der im
Zusammenspiel mit der Rebsorte den Charakter eines Weines
maßgeblich
bestimmt. Und vor dem Potential der Lage kommt noch das Können des
Winzers, das über Charakter und Qualität entscheidet. Es sind
zweifellos die großen Winzer, die auch am Mittelrhein die
großen
Weine "machen". Eine Lage mit hohem natürlichen
Qualitätspotential erleichtert ihnen die Arbeit und
ermöglicht jene seltenen Kombinationen von Winzer, Jahrgang und
Weinberg, die die ganz großen Kreszenzen hervorbringen. Aber ein
"schlechter" Winzer wird in einem "kleinen" Jahrgang auch aus einer
großen Lage nur selten einen großen Wein hervorbringen...
Es
gibt bereits ein paar Vorschläge zur Lagenklassifikationen am
Mittelrhein (Johnson+Pigott
[4],
VDP
[26], Gault Millau
[8]
und Henn
[20]) die
jedoch fragmentarisch
geblieben sind und allesamt auf eine nachvollziehbare Erläuterung
und Begründung ihrer Kriterien verzichten. Sucht man den kleinsten
gemeinsamen Nenner der vier bisher veröffentlichen
Klassifikationen, so wären die besten Weinberge
Teile
der
Lagen Bacharacher Hahn, Posten und Wolfshöhle sowie Steeger St.
Jost. Vom VDP sind Teile der Lagen Bacharacher Hahn, Posten und
Wolfshöhle, Steeger St. Jost, Engehöller Bernstein und
Oberweseler Oelsberg als 1. Lage klassifiziert. Man muß sich
wirklich nicht sehr detailliert mit dem Mittelrhein befassen um den
fragmentarischen und einseitigen Charakter dieser Klassifikationen zu
erkennen...
Für
die hier vorgeschlagene Klassifikation der Lagen des Mittelrheins nach
ihrem natürlichen Qualitätspotential werden die einzelnen
Lagen zunächst auf ihre Homogenität hin analysiert und
natürliche Terroir-Einheiten abgegrenzt. Die einzelnen
natürlichen Terroir-Einheiten werden dann gemäß den im
Terroir-Kapitel beschriebenen
zehn Faktoren
analysiert. In der ersten Phase der Klassifikation stehen
topographische Faktoren (Ausrichtung zur Sonne, Steigung, Höhe
über NN, Nähe zum Rhein, Wind- und Kaltluftgefährdung)
sowie geologische Aspekte (Art und Komplexität des
Ausgangsgesteins) im Vordergrund. Die Analyse des Bodens
(Nährstoffreichtum, Durchlässigkeit, Durchwurzelungstiefe und
Farbe) erfolgt zunächst recht grob, wird aber in einer geplanten
zweiten Phase der Lagencharakterisierung und -klassifizierung weiter
detailliert. Zuletzt enthält die Lagenklassifikation auch ein
subjektives Element, da der Autor seine in vielen Verkostungen
gesammelten Erfahrungen über das Qualitätspotential einzelner
Lagen in die Bewertung mit einfließen läßt. In
gewisser Hinsicht wird hier der Versuch gemacht, 1. das Reifepotential
aufgrund von Topographie und Boden zu bestimmen, 2. aber auch das
Potential für "Komplexität" abzuschätzen. In Gestalt
qualitätsbestimmender Bodenfaktoren (Nährstoffreichtum,
Durchlässigkeit, Durchwurzelungstiefe, Art und Komplexität
des Ausgangsgesteins) sollen, empirisch gesprochen, diejenigen Faktoren
berücksichtigt werden, die Komplexität und Charakter in den
Wein bringen. Auf eine einfache Formel gebracht liegt hier das Modell
zugrunde: Bedingung für Weinqualität = Traubenreife +
Komplexität der Aromen. Die Bewertung der Lagen erfolgt nach dem
hier durchgängig verwendeten
***-System:
*
Lage mit
mittlerem Potential
** Lage
mit hohem
Potential
*** Spitzenlage
mit höchstem
Potential
Der
der
Lagenklassifikation zugrunde liegende Datensatz kann vom Autor
angefordert werden.