| Geschichte
des Weinbaus am Mittelrhein -
von den Römern bis zur Moderne
Eine
Zeittafel zur Geschichte des Mittelrheins finden Sie hier. Die Anfänge:
Römischer und fränkischer Weinbau Nach
der Eroberung Galliens durch Cäsar in den Jahren 58-51 v. Chr.
besetzten die Römer das linksrheinische Gebiet. Weit bis in das 2.
Jahrhundert n.Chr. deckten die Römer ihren Weinbedarf vorwiegend
durch den Import südländischer Weine. Erst in der zweiten
Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. gelangte der römische
Weinbau an der Mosel zur Blüte. Die Römer waren es auch, die
den Weinbau von der Mosel zum
Mittelrhein brachten. Die Wiege des Mittelrhein-Weinbaus liegt
vermutlich im Neuwieder Becken, wo der Wein zunächst in der Ebene
angebaut wurde. In Miesenheim bei Andernach wurden vermeintlich
römische Rigolgräben oder Pflanzgruben entdeckt und auf 400
n. Chr. datiert. Der Miesenheimer Weinberg gilt als das älteste
Zeugnis von Weinbau am Mittelrhein. Als
weitere Zeugnisse für römischen Weinbau am Mittelrhein
können zwei erhaltene Keltersteine gelten. Ein Kelterstein
befindet sich heute an
einem Pfeiler vor der Südseite des Koblenzer Rathauses, er soll
Ende des 17. Jahrhunderts im Rhein bei Engers gefunden worden sein. Der
zweite Kelterstein wurde bei Niederlahnstein entdeckt, leider wurde er
zerschlagen und zum Hausbau verwendet. Der römische
Schriftsteller Venantius Fortunatus unternahm im Jahre 588 eine
Schiffsreise zum fränkischen König Childebert II. In seinem
"Reisegedicht" beschreibt er Weinberge auf der rechten Rheinseite
gegenüber von Andernach, vermutlich in Leutesdorf:
Rasch zu den
Mauern hinan an Andernachs Festung Fahr ich dann nahe hinan, weiter
getragen vom Boot.
Stehn auf den Hügeln
dahier in geräumigen Reihen die Reben, Dehnt Acker sich fruchtbar ans
andere Gestad [38]. Der
römische Mittelrhein-Weinbau hat sich zunächst zwischen
Koblenz und Bonn ausgebreitet, weil man am Flußufer in Flachlagen
vergleichsweise einfach Weinberge (besser Weingärten) anlegen konnte.
Im 5. Jahrhundert eroberten die
fränkischen Merowinger das linke Rheinufer, die Römer gaben
das Rheintal auf. Aus der Frankenzeit stammen die ersten
urkundlichen Belege für Weinberge am nördlichen Mittelrhein:
Boppard (643), Rheinbrohl (um 650), Braubach (691/2), Rheinbay (710)
usw.
Weinbau im Mittelalter
Unter den Karolingern im 8. Jahrhundert wird das Rheintal zum Zentrum
des Fränkischen Reiches. In den nun folgenden Jahrhunderten drang
der Weinbau nach Süden vor. 966 ist er in Oberwesel belegt, 1019
in Bacharach und 1135 in Trechtingshausen. Im Laufe des Mittelalters
entwickelte sich Bacharach zum Zentrum des Mittelrhein-Weinbaus. Bis in
das 17. Jahrhundert war es größeren Schiffen zuvor nur bei Hochwasser
möglich,
das Binger Loch zu passieren (inzwischen sind die Klippen und
Stromschnellen beseitigt). Bacharach war die
südlichste Stadt, die auf dem Rhein ganzjährig von Norden her
zu erreichen war. Neben den Weinen des Mittelrheins wurden hier
auch Weine aus dem Rheingau, Rheinhesssen, Pfalz, Baden und dem
Elsaß gehandelt. Sie alle wurden unter der Bezeichnung
"Bacharacher" weiterverkauft.
Gehandelt wurde vor allem "kalter weißer Wein" aus den Rebsorten
Riesling, Muskateller, aber auch Gutedel, Kleinberger (Elbling) sowie
Rotwein. Rot- und Feuerwein
erzielten dabei die höchsten Preise. Im
Laufe des Mittelalters entwickelten sich die Klöster und Stifte
zu den wichtigsten Besitzern großer Weingüter am
Mittelrhein, an zweiter Stelle stand der Adel. Einen großen
Anteil an der Entwicklung des Mittelrhein-Weinbaus hatten die
Zisterzienser. Der Zisterzienserorden ging als Reformbewegung aus dem
Benediktiner-Orden hervor und wurde 1098 von Robert de Molesme im
Kloster Citeaux nördlich von Beaune gegründet. 1115, mit dem
Abt Bernhard von Clairvaux begann der eigentliche Aufstieg des Ordens.
Die Zisterzienser werden deshalb manchmal auch als Bernhardiner
bezeichnet. Den burgundischen Weinbau haben die
Zisterziensermönche tief geprägt. Sie waren vermutlich die
ersten, die den Einfluß verschiedener Weinbergslagen auf Art und
Qualität genauer untersuchten. Man sagt, sie hätten den Boden
geschmeckt um seinen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Burgundische
Weinberge, die einen einheitlichen Wein ergaben, faßten sie mit
einer umrahmenden Mauer (Clos) zusammen. 1136 gründete Bernhard
von Clairvaux das Kloster Eberbach im rheingauischen Eltville. Das
Kloster stieg im 13. Jahrhundert zum größten Weingut der
Welt auf und ist mit seinen 200 Hektar auch heute noch das
größte deutsche Weingut. Das Kloster Eberbach besaß am
Mittelrhein Weinberge in Heimbach, Diebach, Bacharach,
Trechtingshausen, Boppard und Lahnstein. Über noch mehr Besitz am
Mittelrhein verfügte das Zisterzienserkloster Altenberg (1133
gegründet),
dem Weinberge in Niederheimbach, Diebach, Bacharach, Kaub, Oberwesel,
Rhens, Ober- und Niederlahnstein, Horchheim, Kapellen, Koblenz und
Koblenz-Lützel gehörten. Mit der Säkularisation Anfang
des 19. Jahrhunderts endete der klösterliche Weinbau. Im
Spätmittelalter
stieg der Weinkonsum rapide auf Kosten des Bierkonsums. Im Mittelater
war Wein das einzige unverkeimte und lagerfähige Volksgetränk
- Bier war meist schlecht und teuer und Kaffee und Tee waren noch
unbekannt.
Aufgrund des
Bevölkerungszuwachses in den Städten und des gestiegenen
Wohlstandes erreichte der jährliche Pro-Kopf-Weinverbrauch um 1600
geschätzte 150 Liter. Man spricht von der "Haupt-Zechphase des
deutschen Volkes". Der Mittelrhein-Weinbau hatte in dieser Zeit
seine größte Ausdehnung und reichte zwischen 1300-1600 bis
an die Rur, die Ville und bis nach Köln. Für den Kölner
Raum gibt es beispielsweise Belege für Weinbau in Zündorf
(1009), Stammheim (1228), Sürth (1250) und Ensen (1254). Selbst an
der Siegburger
Bucht, im Westerwald und in der Vordereifel bei Mayen wurde in dieser
Zeit Weinbau betrieben.
Vom Dreißigjährigen Krieg bis 1800 Durch
den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) sowie den
Pfälzischen Erbfolgekrieg (1618-1648) und deren Folgen verfiel die
Weinkultur und die Rebflächen gingen zurück. Infolge der
Kriege gab es einen großen Mangel an Arbeitskräften, die im
arbeitsaufwendigen Steillagenbau fehlten. Die verarmende
Bevölkerung konnte sich zudem keinen Wein mehr leisten. Hinzu kam,
dass der Rhein als Wasserstraße wegen überhöhter
Zölle zunehmend gemieden wurde. Zwischen Mainz und Köln
wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg 13 verschiedene
Zölle erhoben. Als Folge verlegte man den Weinhandel aufs Land,
die Bacharacher verloren ihre Vormachtstellung. Die zunehmende
Konkurrenz durch billiger werdendes Bier, Obstmost, Branntwein, Kaffe
und Tee reduzierte den Weinkonsum. Der kurtrierische Erlass von 1750
tat sein übriges, da er Verschnitte und bisher zum
Süßen verwendete Stoffe wie Blei- oder Silberglätte
(Blei(II)oxid) oder mit Wismut bestreuten Schwefel verbot und somit die
Freiheit der Winzer einschränkte.
Das 18. Jahrhundert
schließlich brachte zahlreiche Veränderungen mit sich: Im
äußerst strengen Winter von 1783 auf 1784 erfroren viele
Rebberge in der Ebene, was den Weinbau in dafür weniger geeigneten
Orten wie Bendorf, Urmitz, Weißenthurm usw. beendete. Als Folge
der Französischen Revolution wurden zudem viele kirchliche
Weinberge und Kelterhäuser zugunsten des Staates versteigert und
gelangten so in die Hände von Winzern.
Mißernten, Rebschädlinge
und die Gründung von
Winzergenossenschaften Ab
1815 erlebte der linksrheinische Mittelrhein-Weinbau wieder einen
kleinen Aufschwung, da der Rheinwein in Preußen eine beinahe
monopolartige Stellung besaß. Nur ein paar Jahrzehnte später
setzte sich der Niedergang fort, bedingt durch Mißernten
(1848-1857) und zunehmende Konkurrenz aus anderen
Weinbaugebieten, da die Eisenbahn den Weinimport verbilligte.
Während
der Tourismus im Gefolge der Rheinromantik
boomte, verelendeten die Winzer. Die Reblaus schließlich machte
bei der Verwüstung der europäischen Rebberge auch am
Mittelrhein keine Ausnahme und befiel besonders den nördlichen
Mittelrhein. 1884 hatte sich die Plage bis nach Ockenfels bei Linz
ausgebreitet, erst bei Hammerstein wurde sie in ihrer Wanderung
gestoppt. Unter der Losung "Stein statt Wein" wanderten viele Winzer in
die Stein- und Bimsindustrie ab.
In diesen wirtschaftlich schweren Zeiten griffen die Winzer nach 1880
zur Selbsthilfe und gründeten nach dem Vorbild des Ahrtals
Winzergenossenschaften. Zwischen 1898 und 1916 gab es mehrere
naßkalte Sommer die zu Mißernten und großen
Schädlingsproblemen führten. Einige Winzervereine, wie in
Osterspai und Filsen überstanden diese Zeiten nicht. Heute gibt es
am Mittelrhein noch fünf
Winzergenossenschaften in Bornich, Oberdiebach, Dellhofen, Perscheid
und Urbar. Im Jahre 1957 gab es am Mittelrhein noch 2031
Erwerbsbetriebe und 27 Genossenschaften, die rund 1300 ha
Rebfläche bewirtschafteten. Seit den 1960'er Jahren führte
man auf über 90% der mittlrheinischen Weinbergsfläche
Flurbereinigungsmaßnahmen durch, um den Weinbau rentabler zu
machen - der Niedergang konnte hierdurch jedoch nicht aufgehalten
werden.
Vom 20. in das 21.
Jahrhundert Von
1950 bis 1960 änderte sich die Weinbergsfläche kaum, seit den
1960'er Jahren hat sie aber kontinuierlich abgenommen, um sich seit 2010 zu stasbilisieren. Heute sind es
noch rund 100
Haupterwerbsbetriebe und 3 Genossenschaften, die auf 470 ha Weinbau
betreiben. War in den 90'er Jahren Bacharach noch das unumstrittene
Zentrum des Anbaus qualitativ hochwertiger Weine am Mittelrhein, so ist
Boppard inzwischen zum Motor des Fortschritts geworden. Grundproblem
des Mittelrheins ist der hohe Arbeitsaufwand im Steillagenweinbau. Um
wirtschaftlich konkurrenzfähig mit Flachlagen (Rheinhessen, Pfalz
...) zu sein, in denen ein hoher Automatisierungsgrad im Weinbau
möglich ist, müssen am Mittelrhein deutlich höhere
Preise erzielt werden. Leider ist meist das Gegenteil der Fall - der
Mittelrhein ist immer noch ein Paradies für Schnäppchenjäger.
Ein Grund liegt in der geringen Betriebsgröße, ein Erbe der
napoleonischen Realteilung. Die kleinen Familienbetriebe - die
durchschnittliche Betriebsgröße liegt derzeit bei 2,8 ha -
kalkulieren ihre eigene Arbeitszeit selten nach modernen
betriebswirtschaftlichen Maßstäben und beschäftigen
ansonsten günstige, saisonale Kräfte. Dem Betriebswachstum
sind so enge Grenzen gesetzt, die Preise werden niedrig kalkuliert und
der Absatz erfolgt vor Ort - häufig über den eigenen
Gutsausschank und die Straußwirtschaft. Für den Fachhandel
sind kaum Spannen einkalkuliert, die Weine nur beim Winzer
erhältlich. Ein eindeutiger Trend am Mittelrhein ist die
Vergrößerung der Rebfläche durch Ankauf stillgelegter
Flächen, gerade durch die ambitionierten Betriebe. Inzwischen
verfügen sieben Weingüter über mehr als 10 Hektar,
angeführt vom Weingut Scheidgen
(22 ha). Diese Konsolidierung dient vor allem der Verbesserung der
Kostenstruktur, aber auch der Differenzierung des Angebotes. Durch die
Betonung des Terroir-Gedankens und der Steillagen-Herkunft, durch die
Rückkehr zu Spontangärung und Holzfaß sowie den
zunehmenden Anbau von Bioweinen
versuchen
die Winzer zudem, ihre Weine im Hochpreissegment zu platzieren. Ein
weiterer Trend des letzten Jahrzehnts ist der zunehmende Weinbau durch
Seiteneinsteiger, die im Nebenerwerb zur Vielfalt des
Mittelrhein-Weines beitragen. Kay-Weine, Belz
und Marco Hofmann sind nur einige dieser
Hoffnungsträger. Die Stärken des Mittelrheins liegen
jedenfalls in Einzellagen-typischen Rieslingweinen, die in ihrer
Aromatik die Einzigartigkeit des Mittelrhein-Tals verkörpern. Hier
(und nur hier) - abseits des Supermarkt-tauglichen Massengetränks
- hat der Mittelrhein-Weinbau eine Zukunft.
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