Geologie des Mittelrheintals


Jedes große Weinbaugebiet verfügt über ein spezifisches Terroir, das den dort angebauten Weinen ihren unverwechselbaren Charakter verleiht. Im Folgenden sollen schlaglichtartig einige Aspekte aus der geologischen Geschichte des Mittelrheines dargestellt werden. Die geschilderten Prozesse und Ereignisse machen deutlich, wie die geologischen Grundlagen für das heutige Terroir am Mittelrhein geschaffen wurden. Details werden bei der Beschreibung einzelner Weinorte und -lagen geschildert. Die wesentlichen Informationen wurden den Werken von Meyer und Stets [1] und v. Koenigswald [2] entnommen. Eine grobe, schematische Übersicht über die vielfältigen geologischen Formationen am Mittelrhein ist in der Karte rechts gezeigt.

Mittelrhein: Zwischen Bingen und Rüdesheim verläßt der Rhein den Rheingau und tritt in das Rheinische Schiefergebirge ein. An der „Talpforte von Bingen“ endet das Oberrheintal und der Mittelrhein beginnt. Das Mittelrheintal erstreckt sich bis nach Bonn, wo der Rhein in die Niederrheinische Tiefebene tritt. Das Mittelrheintal wird wie folgt untergliedert:

Oberes Mittelrheintal: von Bingen bis zum Quarzitriegel bei Koblenz. Das enge Kerbtal ist durch Steilhänge und Felsklippen im Flußbett gekennzeichnet, die zwischen dem Binger Loch und Kaub wie auch oberhalb der Loreley besonders zahlreich sind.

Mittelrheinisches Becken: Neuwieder Becken und unteres Moseltal. Tektonisch bedingte Senke mit dem Neuwieder Becken im Kern.

Unterer Mittelrhein: Beginnt mit der „Andernacher Pforte“, die von Leutesdorf aus sehr gut einsehbar ist. Der Talboden erreicht im Engtal bis zu 1.5-2.5 km Weite. Hier finden sich keine Felsklippen mehr im Flußbett, stattdessen mächtige Ablagerungen von Kiesen und Sanden im Strombett. Im Norden hebt sich die Vulkanruine des Siebengebirges deutlich ab.



Devon (400-350 Mio Jahre)

Zur Zeit des Unterdevons, vor 400 Millionen Jahren, war der Bereich des heutigen Mittelrheins vollständig von einem urzeitlichen Meer bedeckt. Zu dieser Zeit entstanden die Schieferformationen, deren Verwitterungsböden heute das Terroir der meisten Weinberge am Mittelrhein prägen. Der sog. Rheinische Trog wurde im Nordwesten vom Nordkontinent (dem sogenannten Old Red Kontinent) begrenzt. Die Küstenlinie wechselte während der Zeit des Unterdevons etwa auf der Linie Aachen/Köln. Nach Süden hin wurde das Meer durch die Mitteldeutsche Schwelle begrenzt, die Küstenlinie grenzte anfangs an den Südrand des Rheinischen Schiefergebirges. Der Hunsrückschiefer entstand durch Sedimentation unter ständig marinen Bedingungen bei größeren Wassertiefen, wobei einförmige, mächtige tonig-schiefrige Folgen entstanden. Der devonische Schiefer läßt sich mit einiger Berechtigung als versteinerter Schlick des Urmeeres bezeichnen.




Das devonische Meer

Die Ablagerungen des devonischen Meeres (Schiefer) sind sehr reich an Fossilien, die durch Röntgenbilder sichtbar gemacht werden können. Es handelte sich wahrscheinlich nicht, wie manchmal angenommen, um ein Wattenmeer. Vielmehr war das devonische Meer wohl tiefer als 200 m. Die Fossilien sind möglicherweise durch eine Art von „Tod durch Vergiftung“ entstanden. Dafür spricht, daß der schwarze, an organischen Substanzen reiche Hunsrückschiefer aus einer Art von Faulschlamm hervorgegangen ist. Vergleichen kann man diese Verhältnisse vielleicht mit dem Santa-Barbara-Becken vor der Küste von Kalifornien. Es handelt sich hierbei um ein umfangreiches Tiefseebecken, das dem Kontinentalschelf vorgelagert ist. In seinem Zentrum befindet sich ein Trog, der 100 m unterhalb des Bodens des Hauptbeckens liegt. Hier existiert eine ähnlich reiche Fauna wie man sie in den Fossilien des Hunsrückschiefers wiederfindet. Im Abstand von mehreren Jahren kommt es im Santa-Barbara-Becken aufgrund bestimmter ökologischer Verhältnisse zur Vergiftung des Bodenwassers und zur Konservierung der dann abgestorbenen Fauna. Aus ähnlichen Gründen könnten fossilreiche Schichten im Hunsrückschiefer durch katastrophales Massensterben entstanden sein. Im Santa Barbara Becken gibt es einen ständigen Wechsel von lebensfeindlichen und lebensfreundlichen Milieubedingungen des Meeresbodens. Ähnlich wechseln im Hunsrückschiefer fossilreiche mit fossilarmen Schichten ab.




Tertiär (67–1.8 Mio Jahre)

Zu Beginn des Tertiärs war die Rheinische Masse ein kaum durch Täler gegliedertes Tiefland. Am Ausgang der Kreide-Zeit, besonders aber im Tertiär, begann die flache Scholle langsam aufzusteigen, es entstand das von Tälern zerschnittene Mittelgebirge der heutigen Zeit. Außerdem sank im Nordwesten des Schiefergebirges das große Dreieck der Niederrheinischen Bucht ein. Gleichzeitig mit der Niederrheinischen Bucht brach mitten in der aufsteigenden Scholle das dreieckige Neuwieder Becken ein. Hier bildeten sich kleine Kohlensümpfe, vor allem aber kam Ton zur Ablagerung. Der Rhein überquert das Schiefergebirge seit dem Mittel-Miozän.




Entstehung des Rheines

Ein erster Vorläufer des Rheins verlief von einer Wasserscheide nördlich Andernach Richtung Norden in die Niederrheinische Bucht. Er wird als Brohler Rhein (Ober-Oligozän) bezeichnet. Der Brohler Rhein bewegte sich in einer flachhügeligen Landschaft in einem weiten, von Sümpfen und Tümpeln erfüllten Tal ohne jede Ähnlichkeit mit dem heutigen Strom.

Durch Rückverlagerung in der Mittelrhein-Furche verlängerte sich das Tal weiter nach Süden und fand Anschluß an den Oberrhein-Graben. Das Quellgebiet verlagerte sich zunächst an den südlichen Rand des Schiefergebirges, dann in das Gebiet von Nordschwarzwald und Vogesen oder Kaiserstuhl. Es entstand ab dem höheren Miozän der Kaiserstühler Rhein mit etwa 350 km Länge.

Gegen Ende des Pliozäns vor 1.8 Millionen Jahren wurde die Wasserscheide im Kaiserstühler Raum überwunden und der Rhein fand Anschluß an die aus den Alpen kommenden Flüsse.




Vulkanismus

Der Rhein durchschneidet den tertiären Vulkangürtel und schneidet einige tertiäre Vulkane direkt an, wie z.B. am Drachenfels, Rolandsbogen, Unkelstein und Erpeler Ley (siehe Bild unten).

 

Der jetzige Gebirgscharakter mit den tiefen Talschluchten der Kerbtäler ist im wesentlichen das Ergebnis junger tektonischer Hebung während der letzten halben Million Jahren.

Am Ausgang der letzten Kaltzeit, vor etwa 10.000 Jahren, entwickelte sich noch einmal ein großes Magmenreservoir in der oberen Kruste, das sich in gewaltigen Bims-Eruptionen entleerte. Sie begannen im Gebiet von Mendig und verlagerten sich schnell nach Norden, wo schließlich aus einem Schlot im Nordteil des späteren Laacher Sees ein großes Volumen an Bims herausgeschleudert wurde. Dabei wurde das Neuwieder Becken und seine Umgebung mit einer mehrere Meter dicken Bimsdecke überzogen. Glutwolken flossen in einige Täler und gossen sie mehrere Dutzend Meter mit Aschen aus. Feines Material ist durch die Eruptionen viele Kilometer hoch geschleudert worden und läßt sich in Moorprofilen bis in den Ostseeraum und das Westalpengebiet nachweisen. Über dem rasch entleerten Herd brach die Laacher Kessel als Caldera ein. Hieraus entstand der Laacher See.

Nach dem katastrophalen Ausbruch des Laacher See-Vulkans waren das Neuwieder Becken und seine Umgebung wahrscheinlich eine für Jahrzehnte bis Jahrhunderte unbewohnbare Bimswüste.



                             
 


 

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