Biowein
vom Mittelrhein
Die
Vorsilbe "Bio" ist inzwischen im Nahrungsmittelbereich
omnipräsent. Gerade beim Thema Biowein

trifft
man jedoch auf eine
Begriffsverwirrung, die für viele Verbraucher nur noch schwer zu
durchschauen ist. So wird man mit Begriffen wie "umweltschonend",
"kontrolliert umweltschonend", "integriert", "ökologisch",
"biologisch" oder
"biodynamisch" konfrontiert und mancher Winzer nutzt diese
Begriffsverwirrung, um sein Marketing unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen zu bereichern. Ziele dieses Kapitels sind die
Begriffsklärung, die Darstellung der aktuellen
"Bioweinszene" am Mittelrhein und die Vertiefung der Themen
ökologischer und biodynamischer Weinbau. Denn Bioweine sind mehr
als nur ein
modischer Trend - richtig verstanden können sie die
konsequente
Weiterführung des Terroir-Gedankens sein und den Weg zu
authentischen Naturweinen aufzeigen.
Integrierter
Weinbau
Der Begriff "integrierter Weinbau" ist schwer zu präzisieren. Er
bedeutet, dass der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und
Düngemitteln auf ein
unscharf definiertes "Minimum" reduziert wird, sofern dies möglich
ist. Der integrierte Weinbau ist seit den 90'er Jahren weitgehend die
Standard-Anbaumethode und in den VDP-Richtlinien als Mindeststandard
vorgeschrieben. Seien Sie also vorsichtig, wenn mit "integriertem
Anbau" allzu offensiv Werbung betrieben wird - dies ist bei guten
Winzern inzwischen Standard!
Kontrolliert
umweltschonender Weinbau (KUW) Die
Vereinigung "Kontrolliert umweltschonender Weinbau
Pfalz e.V." wurde 1991 gegründet und hat inzwischen 130
Mitglieder. Der Verband verfolgt das Ziel, integrierten Weinbau in
kontrollierter Weise durchzuführen. Am Mittelrhein sind die Weingüter
Karl Heidrich
und "
Zur
Fledermaus" die Vertreter des KUW. Die

"drei Säulen" des KUW sind
Bodenpflege und Begrünung (Begrünung der Rebzeilen,
Bodenanalysen, bedarfsgerechte Düngung), Pflanzenschutz
(nützlingsschonende Spritzfolge, biologische Bekämpfung des
Traubenwicklers, Reduzierung der Aufwandmengen an
Pflanzenschutzmitteln) sowie Kontrollen (Betriebskontrolle im Sommer,
Kontrolle der Dokumentation im Spätjahr). Diese Maßnahmen
zielen auf einen Kompromiss zwischen umweltschonender
Produktionstechnik und ökonomischen Rahmenbedingungen -
Ökowinzer sind die KUW-Winzer nicht.
Biologischer /
ökologischer Weinbau
Gesichert
aus ökologischem Anbau stammen
Weine, deren Weingüter von einer Öko-Kontrollstelle
zertifiziert sind. Viele deutsche Ökoweingüter sind Mitglied in einem
der sechs Verbände
ECOVIN,
Naturland,
Bioland,
Demeter,
Biokreis und
Gäa. Die Zertifizierung
kann jedoch auch ohne die Mitgliedschaft in einem
Ökoverband erworben werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass
die Verbände in der Regel

schärfere
Vorschriften haben, als
die EU-Ökorichtlinie. Am Mittelrhein gibt es derzeit acht
Ökoweingüter, von denen fünf ECOVIN-Mitglieder sind:
Dr. Randolf Kauer
(Bacharach), Edelfaul (Manubach), Schreiberlay (Obernhof/Lahn), Joachim Scherer (Manubach) und
Sturm (Leutesdorf).
Kay-Weine (Oberdollendorf) ist ein Bioland-Betrieb. Zwei
weitere sind nach der EU-Ökorichtlinie zertifiziert:
Lieschied-Rollauer (Bacharach-Steeg) und
Belz
(Bruchhausen). Der ökologische Weinbau versucht völlig ohne den
Einsatz von
Mitteln auszukommen, die Mensch und Natur schädigen können.
Konkret bedeutet dies: Erhaltung und Steigerung der natürlichen
Bodenfruchtbarkeit, konsequenter Verzicht auf chemisch-synthetische
Düngemittel und organisch-synthetische Fungizide (einige
anorganisch-synthetische Fungizide sind erlaubt, s.u.), völliger
Verzicht auf chemisch-synthetische Herbizide und
Insektizide, Verwendung schadstoffarmer Rohstoffe, Reduktion
der
Gewässer- und Bodenbelastung und Verzicht auf genmanipulierte
Pflanzen. Besonders problematisch im ökologischen Weinbau sind die
Pilzkrankheiten Falscher
Mehltau (Peronospora), Echter Mehltau (Oidium) und Graufäule (Botrytis
cinerea). Dem Falschen
Mehltau ist nur durch Kupferpräparate beizukommen, die sich
allerdings im Boden anreichern und hier die Enzyme blockieren
können. Leider hat man bis heute keine echte Alternative zu
Kupferpräparaten gefunden. Gegen den Echten Mehltau werden z.B.
Netzschwefel oder Natriumhydrogencarbonat (Backpulver) als
synthetisch-anorganische Fungizide eingesetzt. Botrytis hingegen ist
geradezu ein "Härtetest für den Bio-Anbau"
[32],
da im ökologischen Weinbau kein spezielles Botrytizid zur
Verfügung steht, lediglich Kupferpräparate zeigen eine
Nebenwirkung. Neben dem Kupfer helfen gezielte Laubarbeit und ein
Ausdünnen der Beeren. In zu dichten Trauben können die Beeren
sich quetschen, teilweise platzen und somit die Fäulnis
begünstigen. Durch das Ausdünnen wird der Ertrag erniedrigt,
die Qualität erhöht und gleichzeitig der Graufäule
vorgebeugt.
Wichtig ist festzustellen, dass die derzeitige
EU-Ökolandbauverordnung keine Richtlinien zur Verarbeitung der
Trauben zu Biowein enthält. Deshalb ist nur der Begriff "Wein,
hergestellt aus ökologisch/biologisch erzeugten Trauben", nicht
aber der Begriff "Biowein" EU-rechtlich geschützt.
Der Verband ECOVIN hat auch zur Kellertechnik bereits umfangreiche
Richtlinien umgesetzt. So streben die Verbandsmitglieder eine Reduktion
des Einsatzes von schwefliger Säure an, bestimmte
Behandlungsverfahren (Blauschönung, PVPP) sowie
gesundheitsschädliche Reinigungs- und Desinfektionsmittel sind
ihnen verboten. Zudem zielen alle Vorschriften darauf ab, das Produkt
Wein möglichst energie- und ressourcenschonend herzustellen.
Ganz grundsätzlich sollte man sich darüber im klaren sein,
dass Bioweine nicht notwendig gesundheitsfördernder sind, als
solche aus integriertem Anbau (hier ist die tägliche Aufnahmemenge
recht entscheidend...). Aber Bioweine sind Weine, die umwelt- und
terroirschonend erzeugt wurden und gerade deshalb
für
sich in Anspruch nehmen können, den
Terroir-Gedanken
konsequent zu
Ende zu denken.
Schließlich stehen sowohl im Bioweinbau als auch in der Terroirdebatte
der
Boden
im Zentrum des Interesses. Viele Winzer sind davon überzeugt, dass
der Terroir-Charakter dann besonders ausgeprägt wird, wenn 1. die
Reben tief wurzeln und 2. die Kleinlebewesen des Bodens dessen
Mineralien besonders effektiv aufschließen. Beide Punkte werden
durch die Wirtschaftsweise der Biowinzer begünstigt. Auch die
Wasserspeicherfähigkeit ist in einem humusreichen Boden besser als
in seinem "klinisch reinen" Pendent. Und die Reduktion der Erträge
ist erstrecht eine Gemeinsamkeit zwischen Terroir- und Biowinzern. Die
Zukunft wird erweisen, ob sich weitere qualitätsorientierte Winzer
des Mittelrheins zu dem Schritt in den Bioweinbau entscheiden...
Biologisch-dynamischer
(biodynamischer) Weinbau
Der
biodynamische Weinbau geht auf die Lehren des Antroposophen Rudolf Steiner (1861-1925) zurück, der
1913 die Anthroposophische Gesellschaft gründete. Steiner
betrachtete Pflanzenkrankheiten als Ergebnis der Störung des
natürlichen Gleichgewichtes, das es zu erhalten, respektive
wiederherzustellen gelte. Steiner formulierte acht biodynamische
Präparate, die von 500-507 durchnumeriert sind und im Zentrum des
biodynamischen Weinbaus stehen
[32]:
- Hornmist (500): Ein Kuhhorn wird mit Kuhmist gefüllt und
über den Winter im Boden vergraben. Der Mist wird im Frühjahr
in eine große Menge Wasser (2-3 g/l, 50-100 l/ha,
[33]) gerührt und zur
Verbesserung des Bodens ausgebracht.
- Hornkiesel (501): Fein gemahlener Bergkristall wird während des
Sommers im Boden in einem Kuhhorn vergraben. Das Präparat wird in
einer großen Menge Wasser gerührt (0,1-0,15 g/l, 50-100
l/ha,
[33]) und zur
Verbesserung der Photosyntheseaktivität während der Vegetationsperiode
ausgebracht.
- Kompostpräparate (502-507): Diese werden in Pulverform dem
Kompost zugegeben (Blüten von Schafgarbe, Kamille, Löwenzahn
sowie Eichenrinde) oder als Pressaft von Baldrianblüten. Sie
sollen die Aktivität der Kleinlebewesen im Kompost verstärken.
Entscheidend für die Wirkung der Präparate ist der Vorgang der
Dynamisierung.
Durch das Rühren in Wasser sollen die den Päparaten
innewohnenden Kräfte auf das Wasser übertragen werden. Die
Naturwissenschaft kennt keinen Ansatz, der den Vorgang der
Dynamisierung beschreiben könnte. Möglicherweise spielt der
Glaube eine zentrale Rolle bei der Anwendung biodynamischer
Präparate.
Wir betreten hier sicherlich den Bereich der Weltanschauungen, dennoch
wäre es zu einfach, den biodynamischen Weinbau nur von der
humoristischen Seite zu betrachten. Zumal nur ein Teil der
biodynamischen Winzer Steiners spirituelle Weltanschauung teilt. Der
Übergang vom biologischen
zum biodynamischen Weinbau ist jedenfalls fließend und auch
Biowinzer greifen schonmal zu homöopathischen Präparaten.
Eine zweite Säule des biodynamischen Weinbaus ist die
Berücksichtigung kosmischer Konstellationen, im Weinberg wie in der
Kellerarbeit. Wichtig ist hier der Mondkalender "Aussaattage" von Maria
Thun. Dieser Kalender analysiert die täglichen Konstellationen des
Mondes und der Planeten, gibt Anbauempfehlungen und weist auf
ungünstige Konstellationen hin, bei denen bestimmte Arbeiten nicht
verrichtet werden sollen.
Internationaler
Vordenker des biodynamischen Weinbaus ist der Loire-Winzer Nicolas
Joly, der den Club "Renaissance des Appellations" gegründet hat (
www.biodynamy.com).
In Deutschland sind z.B. die Weingüter Wittmann (Rheinhessen) und
Christmann (Pfalz) prominente Vertreter des biodynamischen Weinbaus.
Demeter
ist das Markenzeichen für biodynamische Produkte in Deutschland.
Dem Demeter-Verband sind derzeit 67 Weingüter angeschlossen (Stand 2020).